© Nick Ansted – Flashbacks
Flashback-Phänomene
Frank Sembowski, 16. September 2017
As the sound of motor cars fades in the night time, I swear I saw your face change, it didn’t seem quite right.1
Peter Gabriel
Schlagwörter: Flashback, HPPD, Veränderte Wachbewusstseinszustände, LSD, Trigger
Korrespondenz an: frank.sembowski@substanz.info
Um Flashback-Phänomene ranken sich seit jeher recht kurios anmutende Drogenmythen und Großstadtlegenden. Zu ihnen gehören beispielsweise, dass die bloße Gegenwart einer berauschten Person einen psychedelischen Trip in einer anderen Person erneut auszulösen vermag oder dass Flashbacks zu einem nicht vorhersehbaren und womöglich gefährlichen Kontrollverlust führen können. Ob solche Drogenmythen einen wahren Kern besitzen und welche der diesbezüglichen Aussagen in der Wissenschaft breite Akzeptanz erfahren, soll in diesem Artikel kurz vorgestellt werden.
Motivation und Bezug zur Liberalisierung
Neben der systematischen Darstellung des Gegenstands möchte ich diejenigen Fragen berücksichtigen, die mir im Zuge der Liberalisierung psychoaktiver Substanzen bedeutsam erscheinen. Hierzu gehören:
- Kann die Existenz von Flashback-Phänomenen als gesichert gelten?
- Sind Flashback-Phänomene klinisch relevant?
- Verursachen Flashbacks Leidensdruck?
- Gehen von Flashbacks objektivierbare Gefahren aus?
Begriffsklärung
Der Begriff Flashback (deutsch: Rückblende) stammt ursprünglich aus der Filmtechnik, wo er das kompositorische Einfügen von Bildern eines zeitlich zurückliegenden Ereignisses in den sonst chronologischen Erzählfluss bedeutet. Im medizinischen Kontext dagegen und in Präzisierung des Diagnoseschlüssels F16.70 der ICD-10* handelt es sich bei Flashbacks (in dieser auch als Nachhallzustände aufgeführt) um episodische, nach einem rauschfreien Intervall eintretende Bewusstseins- und Wahrnehmungsphänomene von kurzer Dauer, die man als Nachwirkungen vorausgegangener Substanz-Erfahrungen begreift. Wiedererlebt wird mindestens ein spezifischer Aspekt des Rauschs.
*) Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) ist ein Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, das von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben wird. Die aktuelle Revision zum Zeitpunkt der Recherche war die ICD-10.
Die Personen, die Flashbacks erfahren, vermögen sie eindeutig mit den Erlebnissen und Zuständen des zurückliegenden Rauschs in Verbindung zu bringen. Ungewissheit der sogenannten Meinhaftigkeit solcher Phänomene besteht nicht; sie tragen keinen wahnhaften Charakter.
Die zeitliche Distanz, nach der sie anfallen, kann Tage bis Monate, aber nur in den seltensten Fällen Jahre betragen. Charakteristisch ist, dass sie lediglich Sekunden bis wenige Minuten anhalten.2 Ein weiteres notwendiges Diagnosekriterium für Flashbacks zeigt sich in der Abgrenzbarkeit gegen andere medizinische Krankheitsfaktoren: Sie dürfen nicht besser durch psychotische Zustandsbilder oder Störungen der Psyche respektive des Leibes erklärt werden können (zum Beispiel durch Migräne, Epilepsie oder Entzündungsherde).3 Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder an Angststörungen gekoppelte Symptome sind ebenfalls keine Flashbacks.
Tagträume, Déjà-vu-Erlebnisse, intensiv erlebte Rückerinnerungen und andere spontan auftretende Bewusstseinsveränderungen, die man auch veränderte Wachbewusstseinszustände (VWB, engl. altered states of consciousness) nennt, können mit Flashback-Phänomenen leicht verwechselt werden. Ein nicht zu unterschätzender Anteil der als Flashbacks interpretierten Erscheinungen wurde in frühen oder ungenau designten Studien mit solchen (mittlerweile als normal geltenden) Bewusstseinsveränderungen durcheinandergebracht.4 Anhaltende Veränderungen des allgemeinen Wohlbefindens oder des ästhetischen Empfindens, wie sie nach der Einnahme von Psychedelika üblicherweise vorkommen, rechnet man ebenfalls nicht zu den Flashbacks.
Als Ausgangspunkt für die Begriffsbestimmung hätte ich alternativ auf den Diagnoseschlüssel 292.89 des DSM-IV* verweisen können, in welchem Halluzinogeninduzierte persistierende Wahrnehmungsstörungen (HPPD, engl. hallucinogen persisting perception disorder) erfasst sind, doch setzt sich langsam die Ansicht durch, dass die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen die Kriterien für HPPDs fußen, unzureichend sind. Das Postulat der Schädigung von Nervenzellen im Thalamus durch LSD hat sich als haltlos erwiesen. Hinzu kommen abweichende Vorstellungen der klinischen Relevanz: Sowohl DSM-IV 292.89 als auch ICD-10 F16.70 hatten zwar ursprünglich die Absicht, die gleichen in der Praxis beobachteten Phänomene zu erfassen, allerdings legte man ihnen Modelle mit unterschiedlicher klinischer Tragweite zugrunde. So berücksichtigt beispielsweise Kriterium A des DSM-IV ausschließlich visuelle Effekte. Beachten sollte man, dass die Autoren früher Studien die Begriffe HPPD und Flashback trotz der nicht zueinanderpassenden Definitionen als Synonyme verwendeten. Das erschwert den Vergleich der betreffenden Studien oder macht ihn sogar unmöglich.5
*) Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) ist das dominierende von der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) in den USA herausgegebene Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen. Die aktuelle Revision ist die DSM‑5. Ich beziehe mich wegen der (aus meiner Sicht) berechtigten Kritik an der vierten Revision weiterhin auf die DSM-IV.
Ungeachtet der obigen erweiterten Definition bleibt es schwierig, Flashback-Phänomene zu bestimmen und gegen veränderte Wachbewusstseinszustände abzugrenzen. Folgende Überlegungen sollen das verdeutlichen: Zustände der Verliebtheit und der Sexualität haben etwas Rauschhaftes. Man könnte sagen, es ist Rausch, den man in ihnen erfährt. Wahrscheinlich bin ich mit der Beobachtung nicht allein, dass vor allem Gerüche (olfaktorische Reize) diese Glücksmomente nachträglich wieder intensiv erfahrbar machen können. Würde ein solches Wiedererleben als Flashback aufzufassen sein, oder läge eine gewöhnliche Erfahrung vor? Sowohl psychoaktive Substanzen als auch Interaktionen mit anderen Personen lösen chemische Prozesse in uns aus. Dass der Begriff Flashback hierbei nur die Substanzen einschließt, liegt an der impliziten Modellvorstellung seiner Definition – eine wissenschaftliche Notwendigkeit besteht für diese Einschränkung nicht.
Phänomenologie
Die in der wissenschaftlichen Literatur erwähnten Ausprägungen von Flashback-Phänomenen können eine Vorstellung davon vermitteln, wie sich Flashbacks bei den betroffenen Personen äußern.6 Sie umfassen:
- Veränderungen des Raum- und Zeitempfindens
- Erfahrungen der Alleinheit
- Gefühle der Depersonalisation (Auflösung des Persönlichkeitsgefühls)
- Derealisationen*
- Optische Wahrnehmungsveränderungen: Farbintensivierungen, Halos um Objekte, Oszillationen von Lichtquellen, Nachbilder von sich bewegenden Objekten, geometrische Pseudohalluzinationen, Makropsie oder Mikropsie
- Stimmungsschwankungen
- Angst- oder Glücksgefühle (Letztere werden häufiger genannt)7,8
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Formen der Wahrnehmungssensibilität (vorzugsweise bei als mild eingestuften Flashback-Phänomenen)
*) Von Derealisation spricht man, wenn eine der konventionellen Wirklichkeitsinterpretation nicht entsprechende subjektive Ausdeutungen der Welt und des eigenen Verhaltens vorliegt.
Auslöser von Flashbacks
Auch wenn Flashbacks für die Personen, die sie erleben, bisweilen aus heiterem Himmel zu kommen scheinen, unterliegt ihr plötzliches In-Erscheinung-Treten nachvollziehbaren (aber noch unzureichend geklärten) Gesetzmäßigkeiten. In Studien wurden als Auslöser erkannt:9
- Medikamente
- Marihuana (THC)
- Alkohol und andere Substanzen
- Erschöpfungszustände, Schlafmangel
- Stress
- Angstzustände genauso wie Zustände des Glücks
- Emotionale Verstärker (hier an erster Stelle Musik)
- Innere Stille, Isolation, Dunkelheit
- Fernsehen
Substanzen, die mit Flashbacks in Verbindung gebracht werden
Welche Substanzen sind an Flashback-Phänomenen beteiligt? An dieser Stelle muss man zwischen der wissenschaftlichen Literatur und den nicht repräsentativen Umfragen unter Benutzern unterscheiden, die zum Beispiel in Onlineforen durchgeführt wurden. Letztere umfassen die viel größere, aber in den meisten ihrer Merkmale nicht näher bestimmbare Gruppe.
Die Fachliteratur listet lediglich sechs psychoaktive Stoffe im Zusammenhang mit Flashbacks auf: LSD, Cannabis (THC), Ketamin, MDMA, Meskalin und psilocybinhaltige Pilze, wobei Flashbacks mit Abstand am häufigsten für LSD dokumentiert sind, weit seltener für Ketamin10 und Cannabis11. Es gibt Anzeichen dafür, dass Cannabis unter bestimmten Umständen (und bei hierfür sensiblen Personen) als Auslöser für LSD-Flashbacks fungiert.
Flashbacks nach MDMA-Einnahme kommen in der wissenschaftlichen Literatur nur in zwei Fällen vor.12,13 Selbst wenn es noch ergänzende Fallbeschreibungen geben sollte, steht die Seltenheit des Auftretens im Widerspruch zur massenhaften Verbreitung von MDMA in den Jugend- und Subkulturen. Gegenwärtig kann man daher Flashbacks als Folge von alleinigem MDMA-Konsum nicht als belegt ansehen. Kommentare in Foren weisen daraufhin, dass man diese Feststellung zukünftig in Teilaspekten wird relativieren müssen. Charakteristisch ist aus Sicht der Konsumenten ein kurzzeitiges Aufblühen der vertrauten MDMA-eigenen Gefühlszustände.
Ob es Flashbacks nach der Einnahme von Meskalin gibt, ist ebenfalls strittig. Die Indizien in der Literatur sind dünn gesät. Der Mediziner John Halpern befragte während seiner umfangreichen achtjährigen Feldstudie mehr als 1000 Navajos der Native American Church, ohne auch nur eine Person vorzufinden, die Flashback-Phänomene erlebt hätte.14,15
Vergleichbares gilt für den Stoff Psilocybin: In der wissenschaftlichen Literatur sind für ihn keine Flashback-Phänomene im eigentlichen Sinne bekannt.16 Es lässt sich lediglich ein Fallbericht anführen, in dem es unter einem nicht wissenschaftlichen oder therapeutischen Kontext zu wiederholtem Flashback-Erleben durch die Einnahme von Pilzen der Art Psilocybe semilanceata kam. Es lag Mischkonsum von Pilzen und Cannabis vor, wobei Cannabis (wie in Fällen vorausgegangenen LSD-Konsums) als Trigger für die Flashbacks ermittelt wurde.17
Prävalenz
Die aktuellen Daten erlauben keine (auch nicht die gröbste) Aussage über die Prävalenz von Flashback-Phänomenen.18 Immerhin kann man festhalten, dass die Häufigkeit von Flashbacks bei experimenteller (und mit guter Betreuung verbundener) oder bei kontrolliert-medizinischer Anwendung deutlich unter derjenigen des freien Gebrauchs liegt. In einer der wenigen langjährigen systematischen Studien über LSD berichteten (gemessen an den heutigen Kriterien) 2 Prozent der Probanden von Flashbacks.19 Der Psychiater Sidney Cohen geht davon aus, dass sowohl unter geordneten als auch unter freien Bedingungen deutlich weniger als 5 Prozent der Menschen betroffen sind.20 Andere Studien geben bei Alkoholsüchtigen (!), die LSD konsumieren, den extremen Wert von 74 Prozent und bei Polytoxikomanen, also bei Leuten mit schrankenlosem Parallel- oder Mischkonsum, Werte von 52 Prozent an.21
Besonderen Einfluss auf die Häufigkeit von Flashback-Phänomenen hat die Erwartungshaltung.22 Akkurate Vorbereitung, ein festgelegter Ablauf, die Verwendung von Substanzen mit hohem Reinheitsgrad und eine angemessene Dosierung minimieren allgemein die Häufigkeit des Auftretens von Nach- und Nebenwirkungen.23,24 Beachten sollte man des Weiteren, dass Flashbacks ausgesprochen flüchtige Ereignisse darstellen und leicht fehlinterpretiert oder übersehen werden können.
Erklärungsmodelle
So unterschiedlich sich Stichproben und Studiendesigns gestalten, so unterschiedlich fallen die Hypothesen aus, mit denen man Flashback-Phänomene zu erklären versucht. Es gibt erste vielversprechende, durch Experimente gestützte Ansätze, mit deren Hilfe man Einzelaspekte zufriedenstellend zu deuten vermag. Beispielsweise kann man annehmen, dass ein psychedelischer Rausch eine Art Grundsensibilisierung für andersartige Bewusstseinszustände bewirkt. Im Rahmen der alltäglichen Bewusstseinsschwankungen erweisen sich die betroffenen Personen dann für außergewöhnliche Zustände als wesentlich zugänglicher. In einem weiteren Erklärungsansatz geht man davon aus, dass bei Rauscherlebnissen, die auf die Versuchsperson überwältigend gewirkt haben, eine Seelenlast entstanden ist, die nachträglich durch das Wiedererleben sensorische und emotionale Aufarbeitung erfährt.25
Letzten Endes wird ein umfassendes wissenschaftliches Modell Flashback-Phänomenen nur dann gerecht werden, wenn es sie als Folge eines (noch genauer zu untersuchenden) komplexen, vielgestaltigen Ursachengeflechts begreift. Im partiellen Wiedererleben kann die Superposition der emotionalen und informationellen Kräfte nach und nach realisiert und aufgelöst werden. Ein solches Modell würde die Gesamtheit der Ausgangszustände umfassen und erst in der Einzelfallbetrachtung die systembestimmende, maßgebliche Ursachen-Konstellation auskristallisieren.26 Von einem Modell, das für eine konkrete Person präzise Vorhersagen – betreffend Art und Häufigkeit der Flashback-Phänomene – erlaubte, darf man jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgehen. Davon abgesehen bleibt es weiterhin unklar, warum sich die Mehrheit der Personen unter kontrollierten Bedingungen als unempfänglich gegenüber Flashbacks erwiesen hat.
Zum Stand der Forschung
Es verwundert nicht, dass über Flashbacks so viele Drogenmythen und Anekdoten im Umlauf sind: Die Forschung tut sich auf dem Gebiet der Flashback-Phänomene ungewöhnlich schwer. Man sollte daher die präsentierten wissenschaftlichen Aussagen als vorübergehend begreifen. Wie John Halpern und Harrison Pope in ihrem Resümee der 60-jährigen Forschung feststellen, wurde der Begriff Flashback in der Vergangenheit auf derart mannigfaltige Weise gedeutet, dass man ihn, im Grunde genommen, als wertlos einstufen muss.27 Der Reichtum an Definitionen, Modellen und Diagnosekriterien ist spürbar Ausdruck von Erkenntnisunsicherheit.
Viele Studien krankten daran, dass in ihnen keine repräsentative Stichprobe zur Verfügung stand oder die wissenschaftliche Fragestellung zu weit gefasst war. Die selektierten Gruppen setzten sich zusammen entweder aus Alkoholikern, Individuen mit multiplem Substanzgebrauch, High School-Absolventen, Soldaten oder Kriegsveteranen. Doris Holland und Torsten Passie fanden zudem heraus, dass in den über einhundert von ihnen für ihre Übersichtsarbeit Flashback-Phänomene als Nachwirkung von Halluzinogeneinnahme zurate gezogenen Publikationen lediglich eine Selbstschilderung vorkam.28
Schlussfolgerungen
Die Ausgangsfrage, ob Flashbacks als real gelten dürfen, muss man bejahen, wobei Flashback-Phänomene etwas so Flüchtiges darstellen, dass sie oftmals in den gewöhnlichen Schwankungen des Bewusstseins untergehen. Nehmen die Betroffenen ein Phänomen deutlich wahr, erkennen sie dessen Ursprung durchgängig als im eigenen Selbst begründet. So oder so darf man aus der Nachweisbarkeit nicht ableiten, dass Flashbacks als unangenehm oder unerwünscht erlebt werden. Die wenigsten empfinden sie als belastend oder zeitlich deplatziert.
Bei vorausschauendem Substanzgebrauch ist nur ein geringer Anteil der Konsumenten von ihnen betroffen. Flashbacks sind unter kontrollierten Bedingungen oder bei stark ritualisiertem Gebrauch ausgesprochen selten. Mit Abstand am häufigsten kommen sie bei LSD vor; andere Psychedelika konnten bisher nicht verlässlich als Quellen für Flashbacks identifiziert werden. Als hinreichend gesichert gilt, dass ausschweifender Konsum die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens erhöht. Diverse Umstände begünstigen sie; erwähnenswert als Auslöser ist (wiederum bezogen auf LSD) vor allem Cannabis, aber auch Alkoholgebrauch wird mehrfach genannt. Eine zweite Substanz als Trigger anzuführen kommt freilich nur infrage, wenn man gleichzeitig Nüchternheit als Definitions-Kriterium für Flashbacks aufgibt.
Die klinische Relevanz von Flashbacks ist unklar; ihre Ursachen werden nicht konsistent erklärt. Angst einflößende Settings (Uninformiertheit und Unerfahrenheit sowie die Einnahme unter Prohibitionsbedingungen) mögen sie begünstigen. Bei aller gebotenen Vorsicht kann man subsumieren, dass von ihnen keine objektivierbare Gefahr ausgeht. Eine Beeinträchtigung des Fahrvermögens wird zwar nicht rundweg ausgeschlossen, Flashbacks als Grund für im Straßenverkehr begangenes Fehlverhalten sind in der Literatur allerdings unbekannt.29 In Deutschland nahm sich das Bundesverfassungsgericht 2002 dieser Frage im Zusammenhang mit Cannabiskonsum an. Es stellte fest, dass „das Risiko eines nicht vorhersehbaren plötzlichen Verlusts der Fahrtüchtigkeit als sehr gering einzuschätzen“ ist und daher keiner weiteren Klärung bedürfe.30
Denkbar wäre es, dass hierfür empfängliche Personen in Panik geraten und meinen, verrückt geworden zu sein oder nicht mehr von einem vormals angstdominierten Trip runterkommen zu können.31 Das Wissen über die Existenz und die Flüchtigkeit von Flashback-Phänomenen mag ihnen den Furcht einflößenden Charakter nehmen und sie nicht mehr bedrohlich erscheinen lassen. Es wäre erfreulich, könnte dieser Artikel das Verständnis dahin gehend fördern, doch sollte man sich wie bei anderen persönlichen und auf freie Entscheidungen zurückgehende Lebenserfahrungen die Frage stellen dürfen, ob ihre Vermeidung dem Leben automatisch eine glücklichere oder sinnhaftere Wendung gegeben hätte.
Vielleicht lieferte ein derartiges von Angst bestimmtes Flashback-Erlebnis den künstlerischen Impuls für das legendäre Stück Supper’s Ready der Progressive-Rockband Genesis. Nach der Aussage des damaligen Frontmanns Peter Gabriel trat es überraschend ein und fand nicht unter Rauschmitteleinfluss statt.32 Atypisch waren die audiovisuellen Pseudohalluzinationen und die Projektion der inneren Abläufe auf das Gegenüber. Sowohl das Ungewohnte der Situation als auch die assoziative Verknüpfung des Geschehens mit dunklen religiösen Sinnbildern riefen starke Emotionen hervor. Kaum vorstellbar, dass ohne das aufwühlende, aber letztendlich harmlose Flashback-Erlebnis (das dem Artikel als Motto vorangestellt ist) dieser Meilenstein der Musikgeschichte entstanden wäre.
Revisionen
12. Oktober 2017: sprachliche Anpassungen
12. Januar 2019: Typografie
[1] Gabriel (1972): Supper’s Ready. https://www.youtube.com/watch?v=x_9MKJCc3dw&t=28m12s
„Als der Klang der Motoren in der Nacht verging, hätte ich schwören können, dass sich dein Gesicht vor meinen Augen verwandelte – und das erschien mir alles andere als normal zu sein.“ (Übers. d. Verf.)
[2] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 98f.
[3] Ebenda p. 56.
[4] Ebenda p. 153.
[5] Hermle (2015): Halluzinogen-induzierte Persistierende Wahrnehmungsstörung (HPPD) und Flashback-Phänomene – Differenzialdiagnose und Erklärungsmodelle. pp. 508–510, 513 („Take Home Message“).
[6] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 46, 50, vor allem pp. 56, 62, 65.
[7] Ebenda. Zu Glücksempfindungen zum Beispiel pp. 85, 92.
[8] Hermle (2015): Halluzinogen-induzierte Persistierende Wahrnehmungsstörung (HPPD) und Flashback-Phänomene – Differenzialdiagnose und Erklärungsmodelle. p. 509.
[9] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 54f, 60, 63f, 66, 93f.
[10] Ebenda pp. 87f, 175f.
[11] Ebenda pp. 77, 87f.
[12] Ebenda pp. 41f.
[13] Creighton (1991): ‚Ecstasy‘ Psychosis and Flashbacks. p. 714.
[14] Halpern (2005): Psychological and Cognitive Effects of Long-Term Peyote Use Among Native Americans. p. 626, 630.
[15] Holland (2011): Flashback-Phänomene. p. 14.
[16] Studerus (2011): Acute, subacute and long-term subjective effects of psilocybin in healthy humans: a pooled analysis of experimental studies. p. 1444, 1448.
[17] Hermle (2008): Halluzinogen-induzierte psychische Störungen. p. 339; mit Bezug auf: Espiard (2005): Hallucinogen persisting perception disorder after psilocybin consumption: a case study. European Psychiatry. pp. 458f.
[18] Halpern (2003): Hallucinogen persisting perception disorder: what do we know after 50 years? p. 116.
[19] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 45f.
[20] Ebenda pp. 75, 93.
[21] Ebenda p. 92.
[22] Ebenda pp. 69f.
[23] Ebenda p. 93.
[24] Halpern (2003): Hallucinogen persisting perception disorder: what do we know after 50 years? p. 115.
[25] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 122f und 19ff.
[26] Ebenda pp. 204–210.
[27] Halpern (2003): Hallucinogen persisting perception disorder: what do we know after 50 years? p. 115.
[28] Holland (2011): Flashback-Phänomene. pp. 19 und 80f.
[29] Ebenda pp. 155f.
[30] Hermle (2015): Halluzinogen-induzierte Persistierende Wahrnehmungsstörung (HPPD) und Flashback-Phänomene – Differenzialdiagnose und Erklärungsmodelle. p. 511.
[31] Holland (2011): Flashback-Phänomene. p. 76.
[32] Gallo (1978): Genesis – The Evolution Of A Rock Band.
Literaturverzeichnis
- Creighton, F. J.; Black, D. L.; Hyde, C. E. (1991): ‚Ecstasy‘ Psychosis and Flashbacks. British Journal of Psychiatry. 159: pp. 713–715.
- DSM-IV-TR (2000): Hallucinogen Persisting Perception Disorder (292.89). http://behavenet.com/node/21551
- Espiard, Marie-Laure; Lecardeur, Laurent; Abadie, Pascale (2005): Hallucinogen persisting perception disorder after psilocybin consumption: a case study. European Psychiatry. 20 (2005): pp. 458–460.
- Gabriel, Peter (1972): Supper’s Ready. Song-Text des Genesis-Albums Foxtrot.
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- Hermle, L.; Kovar, K.-A.; Hewer, W.; et al. (2008): Halluzinogen-induzierte psychische Störungen. Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie. 2008; 76: pp. 334–342.
- Hermle, L.; Ruchsow, M.; Täschner, K. L. (2015): Halluzinogen-induzierte Persistierende Wahrnehmungsstörung (HPPD) und Flashback-Phänomene – Differenzialdiagnose und Erklärungsmodelle. Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie. 2015; 83: pp. 506–515.
- Holland, Doris; Passie, Torsten (2011): Flashback-Phänomene als Nachwirkung von Halluzinogeneinnahme. Berlin: Verlag für Wissenschaft und Bildung.
- ICD-10 (2013): Psychische und Verhaltensstörungen durch Halluzinogene (F16.70). https://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/block-f10-f19.htm
- Studerus, Erich; Kometer, Michael; Hasler, Felix; et al. (2011): Acute, subacute and long-term subjective effects of psilocybin in healthy humans: a pooled analysis of experimental studies. Journal of Psychopharmacology. 25(11): pp. 1434–1452.
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