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Ayahuasca all-inclusive
Frank Sembowski, 24. Februar 2018
Viele Ayahuasca-Touristen sind durch den Umstand irritiert, dass so gut wie jeder Schamane von sich behauptet, die einzige Person im ganzen Amazonastiefland zu sein, den gewünschten Zaubertrank herstellen zu können.1
R. Stuart
Schlagwörter: Ayahuasca, DMT, Schamanismus, Drogentourismus, Kommerzialisierung, emotionale Heilung, Spiritualität, Transformation, Entheogen
Korrespondenz an: frank.sembowski@substanz.info
Ayahuasca ist ein psychoaktives Getränk, das seit Jahrtausenden als zentrales Element schamanischer Praktiken in Südamerika Verwendung findet. Hergestellt wird es aus wenigstens zwei pflanzlichen Zutaten, von denen die erste N,N‑Dimethyltryptamin (DMT) und die zweite Beta-Carboline, wie Harmin, Harmalin und Tetrahydroharmin, enthält. Die Beta-Carboline (in hohen Dosen ebenfalls psychoaktiv) verhindern den raschen Abbau des DMT, sodass die oral eingenommene Substanz über mehrere Stunden ihre Wirkung entfalten kann.
Obwohl der Ayahuasca-Tourismus zu einem Hype erklärt wurde, ist er kein neues Phänomen.2 Seinen Anfang nahm er bereits in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts, als die ersten Bücher über Ayahuasca erschienen und frühes Interesse vor allem in Nordamerika weckten. Zwar hat der Tourismus in Peru und anderen südamerikanischen Ländern, in denen Ayahuasca traditionell eingesetzt wird, über die Jahre zugenommen und es wird häufiger über Ayahuasca berichtet, aber es liegen keine zuverlässigen Schätzungen darüber vor, wie groß die Anzahl derjenigen Reisenden ist, die an einer Zeremonie teilgenommen haben.
Unabhängig davon, ob der Hype existiert oder nicht – die gesteigerte mediale Aufmerksamkeit hängt vermutlich damit zusammen, dass die wissenschaftliche Faktenlage es nicht länger zulässt, das Phänomen zu ignorieren. Ayahuasca ist kein Hokuspokus. Das haben mittlerweile auch die Gegner einer liberalen Drogenpolitik erkannt. Seine Heilwirkungen sind so mannigfaltig, dass eindimensionale Erklärungsmodelle diesen nicht gerecht werden. Ayahuasca hat sich nicht nur als der innere Ratgeber und therapeutische Begleiter erwiesen, als den ihn die indigenen Gruppen im heutigen Ecuador, Kolumbien, Peru und Brasilien seit Jahrtausenden kennen – es vermag auch viele unserer zivilisationsbedingten Krankheiten zu lindern und auf der Ebene der Person einen befreienden Transformationsprozess einzuleiten. In einer bisweilen schmerzhaften Selbstschau setzt es die Ritualteilnehmer in den Stand, emotionale Blockaden zu beseitigen, hartnäckige Gewohnheiten abzulegen und Traumata zu überwinden.
Solch ein breites Wirkungsspektrum erregt unweigerlich ein Gefühl der Irritation und des Argwohns bei denjenigen, die nicht gewillt sind, sich mit den Verdiensten schamanischer (vermeintlich rückschrittlicher) Kulturen und der heilenden Kraft des Rauschs auseinanderzusetzen. Die Parteilichkeit und Verdrehtheit der Berichterstattung über Ayahuasca lässt erwartungsgemäß zu wünschen übrig.3
Dabei sollte man sich fragen, was Menschen veranlasst, eine lange Anreise und erhebliche Kosten auf sich zunehmen, um in einem schamanischen Ritual ein bitteres, ziemlich übel schmeckendes Gebräu herunterzuschlucken. Einiges deutet darauf hin, dass mehr und mehr Menschen desillusioniert sind und der eigenen Kultur und Gesellschaftsordnung misstrauisch gegenüberstehen. Das Leben in der modernen, industrialisierten Welt mag durch Bildung und Wohlstand gekennzeichnet sein; es wird jedoch auch von Stress, Hektik, sozialer Ungerechtigkeit und unverhohlenem Egoismus bestimmt. In der westlichen Kultur ist es nicht vorgesehen, aus der Trostlosigkeit und Linearität des Alltags dauerhaft auszubrechen und das emotionale Ungleichgewicht, das die Gesellschaft hervorbringt, durch ein radikal abweichendes Lebensmodell zu beseitigen. Stattdessen ordnen viele Leute sich unbewusst Verhaltensregeln unter, die sie nicht verstehen und die sie als beklemmend – im günstigsten Fall als willkürlich empfinden. Die Schale ihres Inneren, vermag nicht mehr zu erklingen, weil sie angefüllt ist mit zeitlichen Vorgaben, Äußerlichkeiten, materiellem genauso wie mit technologischem Nippes, den wir alle für unser Wohlergehen nicht benötigen und der uns nichtsdestoweniger als Ersatz für ein authentisches Leben gilt.
Der Begriff Spiritualität, der in diesem Zusammenhang häufig gebraucht wird, mag nach neuer Religiosität und Flucht ins Übernatürliche klingen, aber dahinter verbirgt sich meiner Ansicht nach lediglich das Verlangen, mehr zu sein als das stumme Mitglied einer konsumorientierten Leistungsgesellschaft. Offenkundig ist die spirituelle Not einiger Personen im Westen so groß geworden, dass sie der Sprung über die kulturelle Schlucht nicht mehr abschreckt. Sie vertrauen ihr Seelenheil lieber Fremden an, als den Zustand, in dem sie gefangen sind, länger zu ertragen.
Und dagegen lässt sich im Kern nicht das Geringste vorbringen. In der Zuwendung zu schamanischen Praktiken oder im Wunsch nach spirituellen (ich würde eher sagen transpersonalen) Erfahrungen vermag ich nichts Verwerfliches zu erkennen. Der europäische Bürger wird ekstatische Erfahrungen für rückschrittlich halten – man kann der Ayahuasca-Wirkung aber aus pharmakologischer und psychologischer Sicht nicht vorwerfen, für eine substanzinduzierte, künstliche Seligkeit zu sorgen, durch die persönliche Probleme verdrängt werden. Diese Gefahr besteht bei Substanzen wie Heroin, nicht bei einem Entheogen wie Ayahuasca.
Schwer fällt es mir ebenfalls, nachzuvollziehen, warum Menschen, die sich nach Hilfe sehnen und ihre psychischen oder emotionalen Konflikte zu heilen gedenken, durch rauschfeindliche Konventionen von ihrem Vorhaben abgehalten werden sollten. Dass Ayahuasca unter rituellen Bedingungen wirksam ist, hat die Wissenschaft mehrfach bestätigt.4
Umgekehrt halte ich es für eine Form des Rassismus, traditionelle Ayahuasca-Zeremonien ausschließlich indigenen Gruppen zugestehen zu wollen. Wer das fordert, sieht in der Menschheit einen Ethnozoo und möchte die Geburt (und womöglich die Hautfarbe) darüber entscheiden lassen, welche kulturellen Errungenschaften einer Person untersagt sind oder ihr zugestanden werden. Es trifft zu, dass wir im Moment nicht die Expertise besitzen, Ayahuasca in einem bewährten Setting einsetzen zu können – Ekstase, Schamanismus und der Gebrauch psychoaktiver Substanzen sind jedoch weltweite Ur-Phänomene, die in Europa in ihrer traditionellen Form erst spät Ächtung erfuhren. Was im Land der Forscher und Denker unvorstellbar ist, gehört anderswo zur Normalität. In Peru beispielsweise nehmen Präsidenten an Ayahuasca-Zeremonien teil.5
Die Motive derjenigen, die nach Südamerika fliegen, um Ayahuasca zu trinken, sind genauso bunt wie die Motive der indigenen südamerikanischen Bevölkerung. Um einen Drogenkick geht es den allerwenigsten. Die lange Liste der Beweggründe umfasst die Suche nach der Beantwortung zentraler Lebensfragen, das Meistern einer Lebenssituation, das Auslösen eines emotionalen und individuellen Heilungsprozesses, das Ausloten der eigenen Psyche, der Wunsch nach gesteigerter Achtsamkeit gegenüber sich und anderen, das Erfahren einer persönlichen Verbundenheit mit der Natur und dem Kosmos, das Beseitigen innerer Blockaden, das Ablegen von Suchtverhalten, das Überwinden von Ängsten, das Empfangen künstlerischer Inspiration und – nicht zuletzt – das Befriedigen wissenschaftlicher Neugierde.6,7
Die Bürger in Peru und in anderen südamerikanischen Ländern verdienen Geld mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen? – Was gibt es daran auszusetzen? Für seinen Lebensunterhalt zu sorgen und Einnahmen zu erzielen ist das Recht jedes Menschen. In Europa dreht sich so gut wie alles ums Geldverdienen. Gegen Systemkritik wehren wir uns aus Eitelkeit und finanzieller Gier mit Händen und Füßen. Unter solchen Voraussetzungen, meine ich, steht uns ein Urteil über andere Kulturen und Gepflogenheiten nicht zu.
Um es deutlich zu sagen: Ayahuasca ist ein kulturelles Vermächtnis von kaum zu überschätzender Bedeutung. Es sollte allen Menschen zugänglich gemacht werden. Kritik, die vor dem Unbekannten nur deswegen warnt, weil es außerhalb des eigenen Erfahrungsbereichs liegt, halte ich unter diesen Umständen für unangebracht. Aufgabe sollte es nicht sein, den Zugang zu Ayahuasca zu unterdrücken, sondern – im Gegenteil – zu erleichtern. Weil aber dieses Ziel durch das gegenwärtige gedankenlose Vorgehen bedroht wird, möchte ich den Ayahuasca-Tourismus und die Publicity, die Ayahuasca derzeit in den Medien erfährt, kritisch hinterfragen.
Die Unwägbarkeiten der Ayahuasca-Erfahrung sind in den meisten Fällen nicht körperlicher Natur. Allerdings kann auch das positive Erleben zu starkem psychologischem Stress führen. Im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV-TR) wurde kürzlich die Kategorie „Religiöse und spirituelle Probleme“ als neuer Symptomkomplex aufgenommen. Dessen Bedeutung und Charakter hatten bereits Stanislav und Christina Grof in den 80er-Jahren erkannt. Sie beschrieben ihn als eine Krise, während der das Identitätsgefühl verloren geht, alte Werte ihre Gültigkeit verlieren und sich die persönliche Realität, die so fest und unwandelbar zu sein scheint, auf dramatische Weise verändert. Daraus entsteht ein Zustand der Verwirrung und der Angst, den Halt in der Gesellschaft zu verlieren.8
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass Ayahuasca das Potenzial hat, innerhalb weniger Minuten ein Weltbild zum Einsturz zu bringen und eine religiöse oder ideologische, jedenfalls unantastbar erscheinende Maxime in ihr Gegenteil zu verkehren. Aus einem Erholungsurlaub bringt man Erinnerungen mit – aus einem Ayahuasca-Retreat geht man unter Umständen als ein anderer Mensch hervor.
Das freilich ist Bestandteil der Methode und unvermeidbar. Eine schwere, manchmal lebensbedrohliche Krise zu durchleben liegt den meisten personalen Transformationen zugrunde. Die wenigsten Teilnehmer sind darauf vorbereitet, dass ihnen die eigene Kultur, in die sie nach dem wunderbaren Erlebnis bald zurückkehren müssen, keine Unterstützung außerhalb der Diagnose einer psychischen Störung wird bieten können. Für einen Hype – und nur gegen diesen wende ich mich an dieser Stelle – ist die transformative Kraft, die Ayahuasca entfalten kann, zu stark. Der Westen muss zuerst einmal lernen, zwischen heilender Transformation (die wir so nicht mehr kennen), romantisch verklärter Spiritualität und psychischer Erkrankung angemessen zu unterscheiden.
Zu beklagen ist auch die Geschwindigkeit, mit der Menschen aus dem industrialisierten Westen die traditionellen und erprobten Zeremonien für sich beanspruchen. Durch den Andrang wird ein zentrales identitätsstiftendes Prinzip der indigenen Gemeinschaften geschwächt. Sicherlich gibt es Heiler, die aus humanistischen und spirituellen Gründen einer begrenzten Anzahl an Westlern die Teilnahme an ihren Ritualen gewähren wollen. Dass sich mit zunehmendem Bedarf Scharlatane und Betrüger unter die Ernsthaften gesellen, wird jedoch nicht verwundern. Einen DMT-haltigen Trank zusammenzubrauen, erfordert kein besonderes Geschick. Welche Zutaten hierfür infrage kommen, hat sich herumgesprochen. Allein für den psychoaktiven Flash müsste niemand die Reise nach Südamerika auf sich nehmen. Was die kundigen Heiler mitbringen (und was den selbsterklärten Ayahuasqueros entschieden abgeht), sind das Wissen um ein ausgewogenes Setting nicht weniger als das psychologische Feingefühl. Die Heiler besitzen die notwendige Erfahrung und Flexibilität, auf die Ratsuchenden eingehen und in einer Notsituation angemessen reagieren zu können. Zudem üben sie wichtige ergänzende Funktionen aus: einmal als Torwächter für die Zeremonie und einmal als Kulturvermittler. Wenn die selbsterklärten Schamanen den ahnungslosen Besuchern statt einer therapeutischen Sitzung die Karikatur und das Schauspiel einer solchen verkaufen, besteht die Gefahr, dass der Mummenschanz außer Kontrolle gerät. Solcherart bringen sie die Heiler in Verruf und schädigen den seit Jahrtausenden erprobten therapeutischen Ansatz.
Hinzufügen sollte man, dass die schamanischen Heiler dem Tourismus auch Positives abgewinnen können. Sie genießen die Wertschätzung, die ihrer Tradition entgegengebracht wird, und begrüßen es, dass wieder mehr jüngere Menschen aus dem eigenen Land an schamanischen Praktiken Interesse zeigen. Darüber hinaus haben die typischen Probleme der Westler (Alltagsstress, Materialismus und Konkurrenzdenken) ihr Wissen um das Heilungspotenzial des Ayahuasca erweitert. Die Behandlung sexuellen Missbrauchs, der in der peruanischen Gesellschaft weitgehend tabuisiert ist, wird nun aufgrund des Einflusses der Touristen von einigen Heilern auch für die Einheimischen angenommen. Das alles ändert nichts daran, dass neue Schamanen nicht von heute auf morgen aus dem Boden schießen. Der Mangel an Schamanen-Nachwuchs wird sich auch zukünftig so ohne Weiteres nicht beheben lassen. Üblicherweise geht der schamanischen Initiation eine Berufung voraus, die nur einzelne Personen innerhalb einer Gemeinschaft ereilt. Den für die praktische Tätigkeit unabdingbaren Erfahrungsschatz erlangt man zudem nicht über Nacht.9 Funktionierender Schamanismus ist ein auf das jeweilige soziale Gefüge hin abgestimmter Aufgabenkomplex, der lokal begrenzt bleiben muss, soll er nicht seine integrative Kraft verlieren.
Nicht weniger problematisch als die Zerstörung der ethnischen Strukturen ist die damit einhergehende Kommerzialisierung und Trivialisierung der entgrenzenden Erfahrung. Der Ayahuasca-Tourismus schürt die Konkurrenz unter den Heilern und wird, nach deren eigener Aussage, immer mehr zum Geschäft.10 Im traditionellen Gebrauch begleitete Ayahuasca die Menschen auf ihrem gesamten Lebensweg.11 Ayahuasca hatte nicht nur die Aufgabe zu heilen, es diente darüber hinaus der Zukunftsvorhersage, der Entscheidungshilfe in allgemeinen Lebensfragen und trat als Lehrerin für Kunst, Mythos und die kosmische Dimension auf. Wer sich mit der Geschichte der Drogenprohibition beschäftigt hat, wird die Gefahren kennen, die von der Kommerzialisierung ausgehen. In der Politik der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts diente sie dazu, der jugendlichen Gegenbewegung die kreative Unschuld und Glaubwürdigkeit zu nehmen und sie dergestalt ihrer inneren Bestimmung zu berauben. Die Neubewertung und Wiederentdeckung der Psychedelika und Entheogene droht gegenwärtig an den gleichen Mechanismen zu scheitern. Das Traurige dabei ist, dass es hierzu nicht einmal mehr der Politik bedurfte – die Gedankenlosigkeit und Habsucht der Leute reicht aus, eine Jahrtausende alte Heilmethode zu bedrohen oder zugrunde zu richten.
Damit komme ich zum letzten Punkt meiner Überlegungen – zur Belastung der Umwelt und zum Raubbau an der Natur. Wenn man den Berichten Glauben schenken kann, hat die Dezimierung des Pflanzenbestandes besorgniserregende Ausmaße angenommen.12 Es wird nicht möglich sein, die Therapiebedürftigen aller Länder mehrmals im Jahr in den Amazonas zu fliegen, um deren Spiritualität aufzupeppen und sie von den schrägen Gepflogenheiten des Westens zu befreien. Das würde den Pflanzenbestand gefährden, fossile Ressourcen verbrauchen und zum Treibhauseffekt beitragen.
Ich frage mich, wie es gelingen soll, dass eine Person anhaltende Vorteile aus der Begegnung mit Ayahuasca zieht, wenn die Zwänge des Alltags und die eingefahrenen gesellschaftlichen Strukturen des Westens die positiven Veränderungen eher früher als später wieder zunichtemachen. Es ist unvermeidlich, dass die Neuausrichtung und der innere Wandel einer Person sich in einer angepassten Lebenshaltung und in korrigierenden, zum Teil auch radikalen Lebensentschlüssen äußert. Nur auf diese Weise wird die persönliche Transformation Bestand haben und von den gesellschaftlichen Einflüssen nicht aufgezehrt werden.
Die Lösung vieler der aufgezählten Probleme, deretwegen Leute aus allen Teilen der Welt nach Südamerika reisen, sollte auf lange Sicht von deren eigenen Gesellschaften erbracht werden. Ayahuasca ist nichts weniger als eine Chance für die Menschheit. Es liegt nahe, die Verwendung von Ayahuasca zu Heilzwecken und als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung in das kulturelle Geschehen anderer Länder aufzunehmen. Terence McKenna – dessen Bücher und Berichte in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts einen erheblichen Einfluss auf die Popularisierung von Ayahuasca hatten – sprach sich dagegen aus, die Schamanen ihres traditionellen Kontextes zu berauben. Er hielt es für das Beste, sich die Pflanzen und Techniken selbst anzueignen, um sie umsichtig an die Bedürfnisse vor Ort anzupassen.13
Damit das geschehen kann, muss auf mehreren Ebenen gehandelt werden.14 Wir benötigen nicht nur ergänzende wissenschaftliche Studien – auch das gegenwärtige politische Klima, das diese zu erschweren oder zu verhindern weiß, bedarf der Korrektur. Das in Ayahuasca enthaltene Tryptamin-Alkaloid DMT unterliegt in vielen Ländern (so auch in Deutschland) der Prohibition. Damit das Betäubungsmittelgesetz zum Wohle der Menschen geändert werden kann, sollte die wissenschaftliche, klinische, ethnologische und interkulturelle Gewissheit über das Potenzial des Heilmittels Ayahuasca zum Allgemeingut in der Öffentlichkeit werden. Von entscheidender Bedeutung wird es sein, eine kulturelle Rückbesinnung und ein gesellschaftliches Umdenken herbeizuführen. Die Menschen, die Ayahuasca ihre Heilung, die Transformation ihrer Persönlichkeit oder gar das Weiterleben verdanken, sollten sich in ihren Heimatländern für die Liberalisierung von DMT einsetzen und (wie die Schamanen) als Kulturvermittler auftreten. Wir können im Westen endlich einmal etwas richtig machen. Wir sollten das Erbe Ayahuasca bewahren und es vor der westlichen Oberflächlichkeit, einem rücksichtslosen, ausbeuterischen Gewinnstreben und der zutiefst inhumanen Verbotspolitik in Schutz nehmen.
[1] Stuart (2002): Ayahuasca Tourism: A Cautionary Tale. p. 36 (Übers. d. Verf.).
[2] Homan (2011): Charlatans, seekers, and shamans: the ayahuasca boom in western peruvian amazonia. pp. 64ff.
[3] Ebert (2014): Peru: Die Modedroge Ayahuasca.
[4] Frecska (2016): The Therapeutic Potentials of Ayahuasca: Possible Effects against Various Diseases of Civilization.
[5] Stuart (2002): Ayahuasca Tourism: A Cautionary Tale. p. 37.
[6] Winkelman (2005): Drug Tourism or Spiritual Healing? Ayahuasca Seekers in Amazonia. pp. 212f.
[7] Kavenská (2015): Ayahuasca Tourism: Participants in Shamanic Rituals and their Personality Styles, Motivation, Benefits and Risks. pp. 354f.
[8] Grof (1989): Spiritual Emergency: When Personal Transformation Becomes a Crisis. Umschlagrückseite.
[9] Prayag (2016): Spirituality, drugs, and tourism: tourists’ and shamans’ experiences of ayahuasca in Iquitos, Peru. pp. 321f.
[10] Prayag (2016): Spirituality, drugs, and tourism: tourists’ and shamans’ experiences of ayahuasca in Iquitos, Peru. p. 322.
[11] Winkelman (2005): Drug Tourism or Spiritual Healing? Ayahuasca Seekers in Amazonia. p. 210.
[12] Nauwald (2017): Fliegenpilz trifft Ayahuasca. p. 89.
[13] Grunwell (1998): Ayahuasca Tourism in South America.
[14] Frecska (2016): The Therapeutic Potentials of Ayahuasca: Possible Effects against Various Diseases of Civilization. p. 13.
Literaturverzeichnis
- Ebert, Matthias (2014): Peru: Die Modedroge Ayahuasca.
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/
sendung/swr/2013/peru-droge-102.html
Abgerufen am 02.02.2018. - Frecska, Ede; Bokor, Petra; Winkelman, Michael (2016): The Therapeutic Potentials of Ayahuasca: Possible Effects against Various Diseases of Civilization. Frontiers in Pharmacology. Vol. 7, Article 35.
Der Artikel erläutert den therapeutischen Reichtum des Heilmittels Ayahuasca (DMT) unter Beachtung biomedizinischer, psycho-sozialer und spiritueller Teilaspekte. Ayahuasca wird immer wieder als Mittel zur Heilung auch von Zivilisationskrankheiten genannt. In Tabelle 1 erfährt man, was darunter zu verstehen ist. - Grof, Stanislav; Grof, Christina (1989): Spiritual Emergency: When Personal Transformation Becomes a Crisis. New York: Jeremy P. Tarcher/Putnam.
- Grunwell, John N. (1998): Ayahuasca Tourism in South America. Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies MAPS. Vol. 8, No. 3: pp. 59–62.
- Hill, David (2016): Peru’s ayahuasca industry booms as westerners search for alternative healing. The Guardian. 7 June 2016.
https://www.theguardian.com/travel/2016/jun/07/peru-ayahuasca-drink-boom-amazon-spirituality-healing
Abgerufen am 02.02.2018. - Homan, Joshua E. (2011): Charlatans, seekers, and shamans: the ayahuasca boom in western peruvian amazonia. Graduate degree program in Anthropology and the Graduate Faculty of the University of Kansas.
https://www.researchgate.net/publication/242331589 - Kavenská, Veronika; Simonová, Hana (2015): Ayahuasca Tourism: Participants in Shamanic Rituals and their Personality Styles, Motivation, Benefits and Risks. Journal of Psychoactive Drugs. Vol. 47, Issue 5: pp. 351–359.
- Lewis, Sara E. (2008): Ayahuasca and Spiritual Crisis: Liminality as Space for Personal Growth. Anthropology of Consciousness. Vol. 19, Issue 2: pp. 109–133.
Lewis analysiert die Übergangsphase spiritueller Krisen und erklärt diese verständlich am Phänomen des Schamanismus. Eine spannende und empfehlenswerte Abhandlung. - Nauwald, Nana (2017): Fliegenpilz trifft Ayahuasca. Lucy’s Rausch. Nr. 6, Herbst 2017: pp. 86–89.
- Prayag, Girish; Mura, Paolo; Hall, Colin Michael; et al. (2016): Spirituality, drugs, and tourism: tourists’ and shamans’ experiences of ayahuasca in Iquitos, Peru. Tourism Recreation Research. Vol. 41, Issue 3: pp. 314–325.
- Stuart, R. (2002): Ayahuasca Tourism: A Cautionary Tale. MAPS. Vol. 12, No. 2: pp. 36–38.
- Winkelman, Michael (2005): Drug Tourism or Spiritual Healing? Ayahuasca Seekers in Amazonia. Journal of Psychoactive Drugs. Vol. 37 (2): pp. 209–218.